22 Jahre nach der Eröffnung des Dorfladen Otersen sieht sich die „von Bürgern für Bürger“ geführte Selbsthilfehilfeeinrichtung vor großen Herausforderungen und stellte an einer entscheidenden Wegegabelung in der jüngsten Mitgliederversammlung am 17.4.2023 die Fahrtrichtung auf Zukunft: Mit 99 % Ja-Stimmen wurde beschlossen, den Dorfladen in diesem Jahr zum Hybrid-Dorfladen umzubauen und zu modernisieren. Die Geschäftszeiten sollen von bisher regulär 53 Stunden auf 105 Stunden pro Woche und täglich von 6 bis 21 Uhr erweitert werden. 40 Stunden mit persönlicher Bedienung und 65 Stunden digital mit Türöffnung per Kundenkarte.
Pandemie-bedingt ging es im ersten Teil der Mitgliederversammlung im vollbesetzten AllerCafé um Bilanzen der Vorjahre. Durch den Anstieg des Mindestlohns um 41 % seit 2015 ist der Dorfladen in die „roten Zahlen“ gerutscht. Im letzten Jahr konnte der Jahresumsatz nach stabil 400.000 € in den Vorjahren auf zuletzt 440.000 € gesteigert werden. Um die gestiegenen Kosten zu decken, konnte der Dorfladen seinen Rohertrag (Handelsspanne) auf gut 25 Prozent verbessern, trotzdem ergaben sich leicht „rote Zahlen“.
Die 140 Mitglieder (Haushalte) haben seit Bestehen 483 Kapitalanteile zu je 250 € und somit gut 120.000 € Eigenkapital in den Verein eingebracht. Der Verein ist Eigentümer des über 3.000 qm großen Grundstücks mit der Immobilie, die 180 qm Ladenfläche, 70 qm AllerCafé und zwei vermietete Wohnungen mit 135 qm Wohnfläche umfasst. „Die Immobilie steht in der Bilanz lediglich noch mit knapp 130.000 €. Wegen dieser geringen Bewertung haben wir ein negatives Eigenkapital von 32.000 € oder 13 % in der Bilanz“, sorgte Vorsitzender Günter Lühning für Transparenz. Die stillen Reserven im Immobilien-Vermögen bezifferte er auf 200.000 €. Zum Dorfladen-Grundstück gehört eine 1.500 qm große Teilfläche, die bisher unbebaubares Gartenland war. Durch den neuen Bebauungsplan der Gemeinde ist diese Teilfläche jetzt mit zwei Mehrfamilienhäusern und Senioren-gerechten Wohnungen bebaubar.
Nach den Jahresberichten des Vorstandes sowie den Berichten von Kassenprüfer Dr. Ralf Borchers und von Aufsichtsrat Torsten Wöbse erfolgten die schriftlichen Abstimmungen zu den Jahresabschlüssen und den Entlastungen mit jeweils 331 Ja-Stimmen, ohne Gegenstimmen. Ohne Gegenstimmen wurde Hauke Schormair als neuer Kassenprüfer und damit Nachfolger von Harald Priemke gewählt. Sehr einmütig wurden auch die 3 Mitglieder des Aufsichtsrates
- Elke Deden aus Wittlohe,
- Karlheinz Bruns aus Ludwigslust und
- Bäckermeister Torsten Wöbse aus Kirchlinteln
wiedergewählt.
„Arbeitskräftemangel, steigende Lohn- und Energiekosten, verändertes Einkaufsverhalten durch Inflationsbedingte Sparzwänge – das sind die Herausforderungen, vor denen viele kleine Lebensmittelgeschäfte stehen. Wir haben zusätzlich noch die Folgen der Sperrung der Ortsdurchfahrt seit September bis Mitte Mai sowie gleich mehrere Langzeit-Kranke zu meistern. Wir mussten mit der Reduzierung der Geschäftszeiten von regulär 53 auf jetzt 38 Stunden reagieren“, berichtete Günter Lühning. Er freute sich trotzdem und dankte vielen treuen Kunden, so dass der Umsatz-Rückgang geringer als befürchtet ausfiel. Mit vielen Investitionen – zum Beispiel den Photovoltaik-Anlagen 2010 und 2021, waren wir der Zeit immer ein Stück weit voraus. Den innovativen Kurs will der Dorfladen-Verein fortsetzen.
Nach Abwägung von Vor- und Nachteilen sprachen sich alle 9 Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat für die nächste große Investition noch in diesem Jahr aus – den Umbau zum Hybrid-Dorfladen. „Wir sind und bleiben Begegnungsstätte und sichern auch in Zukunft den Einkauf mit persönlicher Bedienung. Zusätzlich wird digitaler Einkauf möglich – zu Zeiten in denen die Dorfladen-Tür bisher geschlossen blieb, in der Mittagszeit, nach 18 Uhr, am Sonnabend-Nachmittag und auch am Sonntag“, berichtete der Dorfladen-Vorstand. „Unsere mit 99 Jahren älteste, treue Kundin wird weiterhin eigenständig einkaufen können und für jüngere Erwachsene und Berufstätige werden wir attraktiver“, sind die Verantwortlichen überzeugt. Ein umfassender Umbau ist dafür erforderlich. Neben beantragten Fördermitteln für Kleinunternehmen sieht der Finanzierungsplan möglichst 42.000 € Eigenmittel von Mitgliedern durch weitere Kapitalanteile in Höhe von je 250 € vor. Nach Beantwortung vieler Fragen hatten dann die anwesenden Mitglieder per Stimmzettel in geheimer Abstimmung das Wort.
„4 Enthaltungen, null Gegenstimmen und 330 Ja-Stimmen“ lautete die einmütige Antwort. „Dieses eindeutige Ergebnis hatten wir nicht erwartet und motiviert uns zum Weitermachen“, sprach 2. Vorsitzender und Ortsvorsteher Dieter Bergstedt aus, was alle Vorstandsmitglieder dachten.